Familien- und Zeitgeschichte im 20. Jahrhundert. Jenny Erpenbecks Roman 'Aller Tage Abend'

Fiction & Literature, Literary Theory & Criticism, European, German
Cover of the book Familien- und Zeitgeschichte im 20. Jahrhundert. Jenny Erpenbecks Roman 'Aller Tage Abend' by Hans-Georg Wendland, GRIN Verlag
View on Amazon View on AbeBooks View on Kobo View on B.Depository View on eBay View on Walmart
Author: Hans-Georg Wendland ISBN: 9783668287501
Publisher: GRIN Verlag Publication: August 30, 2016
Imprint: GRIN Verlag Language: German
Author: Hans-Georg Wendland
ISBN: 9783668287501
Publisher: GRIN Verlag
Publication: August 30, 2016
Imprint: GRIN Verlag
Language: German

Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: '-', Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Deutsches Seminar), Sprache: Deutsch, Abstract: In Jenny Erpenbecks Romanen verläuft die Zeit gewöhnlich nicht chronologisch-linear als ununterbrochenes und unumkehrbares Kontinuum. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, Jugend, Erwachsensein und Alter sind ineinander verwoben, 'unwiderruflich miteinander verflochten und voneinander bedingt'. Die auf verschiedenen Zeitebenen angesiedelten Generationen - Großeltern, Eltern und Enkel - können in verschiedenen Stadien ihrer Lebensgeschichte einander begegnen und ganz andere Richtungen einschlagen. In 'Aller Tage Abend' bildet die Familiengeschichte eine literarische 'Konstruktion', mit der durch die Fähigkeit des Erinnerns und die schöpferische Kraft des Erzählens Vergangenes wieder sichtbar gemacht, Tote zu neuem Leben erweckt und bereits geschehene Dinge wieder zurückgenommen werden. Auf diese Weise werden Möglichkeiten ausgelotet, wie das Leben unter vielleicht nur geringfügig geänderten Bedingungen auch hätte verlaufen können. Zum Schluss des Romans erwirbt die gealterte Protagonistin die Fähigkeit, 'sich in der Zeit frei zu bewegen'. Das erinnert an die Hauptfigur in 'Geschichte vom alten Kind', die gelernt hat, 'in der Zeit herumzuspazieren wie in einem Garten', anstatt ihr Leben 'in seiner diachronischen Abfolge' zu durchlaufen. Das Leben ist kein bis ins Detail berechen-, plan- und voraussehbarer Prozess, sondern voller Unwägbarkeiten, Zufälle und unerwarteter Schicksalsschläge, die die Stabilität der Verhältnisse von einem Moment auf den anderen ins Wanken und zum Einsturz bringen können. Die Fähigkeit des Erinnerns ist mit zunehmendem Alter von Auflösungs- und Zersetzungsprozessen bedroht, wie bei der neunzigjährigen dementen Frau Hoffmann in Buch V des Romans. Durch die Brüchigkeit der Erinnerung ist der 'Ariadnefaden der Tradition' in Gefahr zu zerreißen. Damit wird eine weit über das Romangeschehen hinausgehende Bedeutungsebene anvisiert. Als Bestandteil des 'kulturellen Gedächtnisses' kann historisches Geschehen in Vergessenheit geraten und in der Versenkung verschwinden, wenn es nicht im Rahmen einer grenzübergreifenden 'europäischen Erinnerungskultur' bewahrt wird. Mit 'Aller Tage Abend' hat Jenny Erpenbeck einen Text verfasst, in dem Teile der jüngeren europäischen Geschichte mit der Geschichte einer Familie verzahnt werden, deren 'individuelle Schicksale' als 'pars pro toto für einen historischen Zusammenhang einstehen können.' Ihr Text bildet einen literarischen Beitrag, um dem Vergessen historischen Geschehens vorzubeugen.

View on Amazon View on AbeBooks View on Kobo View on B.Depository View on eBay View on Walmart

Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: '-', Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Deutsches Seminar), Sprache: Deutsch, Abstract: In Jenny Erpenbecks Romanen verläuft die Zeit gewöhnlich nicht chronologisch-linear als ununterbrochenes und unumkehrbares Kontinuum. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, Jugend, Erwachsensein und Alter sind ineinander verwoben, 'unwiderruflich miteinander verflochten und voneinander bedingt'. Die auf verschiedenen Zeitebenen angesiedelten Generationen - Großeltern, Eltern und Enkel - können in verschiedenen Stadien ihrer Lebensgeschichte einander begegnen und ganz andere Richtungen einschlagen. In 'Aller Tage Abend' bildet die Familiengeschichte eine literarische 'Konstruktion', mit der durch die Fähigkeit des Erinnerns und die schöpferische Kraft des Erzählens Vergangenes wieder sichtbar gemacht, Tote zu neuem Leben erweckt und bereits geschehene Dinge wieder zurückgenommen werden. Auf diese Weise werden Möglichkeiten ausgelotet, wie das Leben unter vielleicht nur geringfügig geänderten Bedingungen auch hätte verlaufen können. Zum Schluss des Romans erwirbt die gealterte Protagonistin die Fähigkeit, 'sich in der Zeit frei zu bewegen'. Das erinnert an die Hauptfigur in 'Geschichte vom alten Kind', die gelernt hat, 'in der Zeit herumzuspazieren wie in einem Garten', anstatt ihr Leben 'in seiner diachronischen Abfolge' zu durchlaufen. Das Leben ist kein bis ins Detail berechen-, plan- und voraussehbarer Prozess, sondern voller Unwägbarkeiten, Zufälle und unerwarteter Schicksalsschläge, die die Stabilität der Verhältnisse von einem Moment auf den anderen ins Wanken und zum Einsturz bringen können. Die Fähigkeit des Erinnerns ist mit zunehmendem Alter von Auflösungs- und Zersetzungsprozessen bedroht, wie bei der neunzigjährigen dementen Frau Hoffmann in Buch V des Romans. Durch die Brüchigkeit der Erinnerung ist der 'Ariadnefaden der Tradition' in Gefahr zu zerreißen. Damit wird eine weit über das Romangeschehen hinausgehende Bedeutungsebene anvisiert. Als Bestandteil des 'kulturellen Gedächtnisses' kann historisches Geschehen in Vergessenheit geraten und in der Versenkung verschwinden, wenn es nicht im Rahmen einer grenzübergreifenden 'europäischen Erinnerungskultur' bewahrt wird. Mit 'Aller Tage Abend' hat Jenny Erpenbeck einen Text verfasst, in dem Teile der jüngeren europäischen Geschichte mit der Geschichte einer Familie verzahnt werden, deren 'individuelle Schicksale' als 'pars pro toto für einen historischen Zusammenhang einstehen können.' Ihr Text bildet einen literarischen Beitrag, um dem Vergessen historischen Geschehens vorzubeugen.

More books from GRIN Verlag

Cover of the book Die biomechanische Betrachtungsweise in Abgrenzung zur morphologischen und funktionalen Betrachtungsweise by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Mediale Inszenierung der Wirklichkeit by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Motivation - welche Einflussfaktoren sind notwendig, damit Motivation entstehen kann? by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Sprachkompetenz bei Kindern aus bildungsfernen Familien. Wie wirkt sich soziale Benachteiligung auf Sprache und Bildung aus? by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Pflegeoasen als Konzept der Versorgung schwer Demenzkranker. Aktueller Stand und Perspektiven in Deutschland by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Werden große sportliche Leistungen deutscher Athleten im Zuge medialer Aufarbeitung besser dargestellt als Leistungen ausländischer Sportler? by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Die Rechtsnachfolge im Verwaltungsrecht by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Schnittstellenproblematik als Kommunikationsproblem im Rettungsdienst by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Lautliche Erscheinungen im gesprochenen Spanisch by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Governanceethik nach Josef Wieland by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Belastungs- und Beanspruchungsprofil im mittelklassigen Beachvolleyball nach der Regelauslegung 2011 by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Tricksterfiguren und -konzeption by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Die Zwei-Säulen-Strategie der Europäischen Zentralbank by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Überwachung des Netzwerks - Netzwerkmonitoring mit Nagios by Hans-Georg Wendland
Cover of the book Rechtsprechungsübersicht Mietrecht 2011 by Hans-Georg Wendland
We use our own "cookies" and third party cookies to improve services and to see statistical information. By using this website, you agree to our Privacy Policy