Author: | Hans Fallada | ISBN: | 9783746069043 |
Publisher: | Books on Demand | Publication: | January 12, 2018 |
Imprint: | Language: | German |
Author: | Hans Fallada |
ISBN: | 9783746069043 |
Publisher: | Books on Demand |
Publication: | January 12, 2018 |
Imprint: | |
Language: | German |
Es ist fünf Minuten nach vier. Pinneberg hat das eben festgestellt. Er steht, ein nett aussehender, blonder junger Mann, vor dem Hause Rothenbaumstraße 24 und wartet. Es ist also fünf Minuten nach vier, und auf drei viertel vier ist Pinneberg mit Lämmchen verabredet. Pinneberg hat die Uhr wieder eingesteckt und sieht ernst auf ein Schild, das am Eingang des Hauses Rothenbaumstraße 24 angemacht ist. Er liest: Dr. Sesam - Frauenarzt. Sprechstunden 9-12 und 4-6. Eben! Und nun ist es doch wieder fünf Minuten nach vier. Wenn ich mir noch eine Zigarette anbrenne, kommt Lämmchen natürlich sofort um die Ecke. Laß ich es also. Heute wird es schon wieder teuer genug. Er sieht von dem Schild fort. Die Rothenbaumstraße hat nur eine Häuserreihe, jenseits des Fahrdamms, jenseits eines Grünstreifens, jenseits des Kais fließt die Strela, hier schon hübsch breit, kurz vor ihrer Einmündung in die Ostsee. Ein frischer Wind weht herüber, die Büsche nicken mit ihren Zweigen, die Bäume rauschen ein wenig. So müßte man wohnen können, denkt Pinneberg. Sicher hat dieser Sesam sieben Zimmer. Muß ein klotziges Geld verdienen. Er wird Miete zahlen ... zweihundert Mark? Dreihundert Mark? Ach was, ich habe keine Ahnung. - Zehn Minuten nach vier! Pinneberg greift in die Tasche, holt aus dem Etui eine Zigarette und brennt sie an. Um die Ecke weht Lämmchen, im plissierten weißen Rock, der Rohseidenbluse, ohne Hut, die blonden Haare verweht. "Tag, Junge. Es ging wirklich nicht eher. Böse?" "Keine Spur. Nur, wir werden endlos sitzen müssen. Es sind mindestens dreißig Leute reingegangen, seit ich warte." "Sie werden ja nicht alle zum Doktor gegangen sein. Und dann sind wir ja angemeldet." "Siehst du, daß es richtig war, daß wir uns angemeldet haben!" "Natürlich war es richtig. Du hast ja immer recht, Junge!" Und auf der Treppe nimmt sie seinen Kopf zwischen die Hände und küßt ihn stürmisch. "O Gott, bin ich glücklich, daß ich dich mal wieder habe, Junge. Denke doch, beinahe vierzehn Tage!" "Ja, Lämmchen", antwortet er. "Ich bin auch nicht mehr brummig." Die Tür geht auf, und im halbdunklen Flur steht ein weißer Schemen vor ihnen, bellt: "Die Krankenscheine!" "Lassen Sie einen doch erst mal rein", sagt Pinneberg und schiebt Lämmchen vor sich her. "Übrigens sind wir privat. Ich bin angemeldet. Pinneberg ist mein Name." Auf das Wort "privat" hin hebt der Schemen die Hand und schaltet das Licht auf dem Flur ein. "Herr Doktor kommt sofort. Einen Augenblick, bitte. Bitte, dort hinein." Sie ...
Es ist fünf Minuten nach vier. Pinneberg hat das eben festgestellt. Er steht, ein nett aussehender, blonder junger Mann, vor dem Hause Rothenbaumstraße 24 und wartet. Es ist also fünf Minuten nach vier, und auf drei viertel vier ist Pinneberg mit Lämmchen verabredet. Pinneberg hat die Uhr wieder eingesteckt und sieht ernst auf ein Schild, das am Eingang des Hauses Rothenbaumstraße 24 angemacht ist. Er liest: Dr. Sesam - Frauenarzt. Sprechstunden 9-12 und 4-6. Eben! Und nun ist es doch wieder fünf Minuten nach vier. Wenn ich mir noch eine Zigarette anbrenne, kommt Lämmchen natürlich sofort um die Ecke. Laß ich es also. Heute wird es schon wieder teuer genug. Er sieht von dem Schild fort. Die Rothenbaumstraße hat nur eine Häuserreihe, jenseits des Fahrdamms, jenseits eines Grünstreifens, jenseits des Kais fließt die Strela, hier schon hübsch breit, kurz vor ihrer Einmündung in die Ostsee. Ein frischer Wind weht herüber, die Büsche nicken mit ihren Zweigen, die Bäume rauschen ein wenig. So müßte man wohnen können, denkt Pinneberg. Sicher hat dieser Sesam sieben Zimmer. Muß ein klotziges Geld verdienen. Er wird Miete zahlen ... zweihundert Mark? Dreihundert Mark? Ach was, ich habe keine Ahnung. - Zehn Minuten nach vier! Pinneberg greift in die Tasche, holt aus dem Etui eine Zigarette und brennt sie an. Um die Ecke weht Lämmchen, im plissierten weißen Rock, der Rohseidenbluse, ohne Hut, die blonden Haare verweht. "Tag, Junge. Es ging wirklich nicht eher. Böse?" "Keine Spur. Nur, wir werden endlos sitzen müssen. Es sind mindestens dreißig Leute reingegangen, seit ich warte." "Sie werden ja nicht alle zum Doktor gegangen sein. Und dann sind wir ja angemeldet." "Siehst du, daß es richtig war, daß wir uns angemeldet haben!" "Natürlich war es richtig. Du hast ja immer recht, Junge!" Und auf der Treppe nimmt sie seinen Kopf zwischen die Hände und küßt ihn stürmisch. "O Gott, bin ich glücklich, daß ich dich mal wieder habe, Junge. Denke doch, beinahe vierzehn Tage!" "Ja, Lämmchen", antwortet er. "Ich bin auch nicht mehr brummig." Die Tür geht auf, und im halbdunklen Flur steht ein weißer Schemen vor ihnen, bellt: "Die Krankenscheine!" "Lassen Sie einen doch erst mal rein", sagt Pinneberg und schiebt Lämmchen vor sich her. "Übrigens sind wir privat. Ich bin angemeldet. Pinneberg ist mein Name." Auf das Wort "privat" hin hebt der Schemen die Hand und schaltet das Licht auf dem Flur ein. "Herr Doktor kommt sofort. Einen Augenblick, bitte. Bitte, dort hinein." Sie ...