Der Roman 'Transit' von Anna Seghers. Aspekte der Erzählstruktur (Teil II)

Fiction & Literature, Literary Theory & Criticism, European, German
Cover of the book Der Roman 'Transit' von Anna Seghers. Aspekte der Erzählstruktur (Teil II) by Hans-Georg Wendland, GRIN Verlag
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Author: Hans-Georg Wendland ISBN: 9783668197039
Publisher: GRIN Verlag Publication: April 14, 2016
Imprint: GRIN Verlag Language: German
Author: Hans-Georg Wendland
ISBN: 9783668197039
Publisher: GRIN Verlag
Publication: April 14, 2016
Imprint: GRIN Verlag
Language: German

Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Deutsches Seminar), Veranstaltung: --------------------------------------, Sprache: Deutsch, Abstract: Nach Anna Seghers ist die Welt eines Romans zwar eine 'Wiederspiegelung der Wirklichkeit', sie ergibt aber kein 'braves Spiegelbild', dem der Leser trauen und auf das er bauen darf. Das gilt auch für die autodiegetische Erzählerfigur, die gewissermaßen ihre eigene Geschichte erzählt und als Musterbeispiel eines unzuverlässigen Erzählers gelten kann, als ein fingiertes 'Ich', das sich einer geborgten Identität bedient ('Mein eigener Name blieb aus dem Spiel.') und ein einerseits verwirrendes, andererseits auch voll hintergründiger Komik steckendes Spiel zwischen Schein und Sein betreibt. Dieses erzählende 'Ich' ist, wie sein Beruf als Monteur es vermuten lässt, ein aus vielerlei Elementen und Facetten zusammengesetztes, ein 'montiertes' namenloses Ich inmitten einer Heerschar von anderen Namenlosen, die die Straßen und Cafés von Marseille bevölkern. In seiner Erzählung erweist Marseille sich als 'gigantische Falle', als eine 'Phantomstadt' voller Gerüchte, aus der 'Phantomschiffe' voller Flüchtlinge abfahren, während die tatsächlich auslaufenden Schiffe den Flüchtlingen versperrt bleiben, nicht ans Ziel gelangen oder untergehen wie die 'Montreal'. Was der Leser aus dem Munde dieses unzuverlässigen Erzählers über ihn selbst erfährt, ist herzlich wenig und ergibt ein äußerst lückenhaftes, aus einer Reihe bunter Mosaiksteine zusammenmontiertes Bild, das viele Fragen offen lässt. Dieses Wenige lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Er ist 27 Jahre alt, war 1937 aus einem deutschen Konzentrationslager geflohen, 'bei Nacht über den Rhein geschwommen' und gehört keiner politischen Partei an. Über seine Herkunft, sein Elternhaus, seine Kindheit und Jugend, seine Schulzeit, seine Arbeit, seinen Umgang mit Kollegen, seine Freundschaften und Freizeitbeschäftigungen schweigt er sich aus. Mithin gibt es in seinem bisherigen Lebenslauf viele Leerstellen, die nur dürftig aufgefüllt werden und daher viel Raum lassen für unbestätigte Vermutungen. Im Umgang mit den Behörden lernt er schnell dazu und entwickelt allmählich ein Überlegenheitsgefühl, das sich auf seine gute Beobachtungs- und schnelle Auffassungsgabe gründet. Mit seinem Anpassungsvermögen, seiner intellektuellen Geschmeidigkeit, seiner Gerissenheit und nicht zuletzt seinem ausgeprägten Sinn für Situationskomik und Humor nimmt er bald die Herausforderungen an, denen er Tag für Tag als vor den Nazis in die Illegalität geflohener Lagerinsasse ausgesetzt ist.

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Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Deutsches Seminar), Veranstaltung: --------------------------------------, Sprache: Deutsch, Abstract: Nach Anna Seghers ist die Welt eines Romans zwar eine 'Wiederspiegelung der Wirklichkeit', sie ergibt aber kein 'braves Spiegelbild', dem der Leser trauen und auf das er bauen darf. Das gilt auch für die autodiegetische Erzählerfigur, die gewissermaßen ihre eigene Geschichte erzählt und als Musterbeispiel eines unzuverlässigen Erzählers gelten kann, als ein fingiertes 'Ich', das sich einer geborgten Identität bedient ('Mein eigener Name blieb aus dem Spiel.') und ein einerseits verwirrendes, andererseits auch voll hintergründiger Komik steckendes Spiel zwischen Schein und Sein betreibt. Dieses erzählende 'Ich' ist, wie sein Beruf als Monteur es vermuten lässt, ein aus vielerlei Elementen und Facetten zusammengesetztes, ein 'montiertes' namenloses Ich inmitten einer Heerschar von anderen Namenlosen, die die Straßen und Cafés von Marseille bevölkern. In seiner Erzählung erweist Marseille sich als 'gigantische Falle', als eine 'Phantomstadt' voller Gerüchte, aus der 'Phantomschiffe' voller Flüchtlinge abfahren, während die tatsächlich auslaufenden Schiffe den Flüchtlingen versperrt bleiben, nicht ans Ziel gelangen oder untergehen wie die 'Montreal'. Was der Leser aus dem Munde dieses unzuverlässigen Erzählers über ihn selbst erfährt, ist herzlich wenig und ergibt ein äußerst lückenhaftes, aus einer Reihe bunter Mosaiksteine zusammenmontiertes Bild, das viele Fragen offen lässt. Dieses Wenige lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Er ist 27 Jahre alt, war 1937 aus einem deutschen Konzentrationslager geflohen, 'bei Nacht über den Rhein geschwommen' und gehört keiner politischen Partei an. Über seine Herkunft, sein Elternhaus, seine Kindheit und Jugend, seine Schulzeit, seine Arbeit, seinen Umgang mit Kollegen, seine Freundschaften und Freizeitbeschäftigungen schweigt er sich aus. Mithin gibt es in seinem bisherigen Lebenslauf viele Leerstellen, die nur dürftig aufgefüllt werden und daher viel Raum lassen für unbestätigte Vermutungen. Im Umgang mit den Behörden lernt er schnell dazu und entwickelt allmählich ein Überlegenheitsgefühl, das sich auf seine gute Beobachtungs- und schnelle Auffassungsgabe gründet. Mit seinem Anpassungsvermögen, seiner intellektuellen Geschmeidigkeit, seiner Gerissenheit und nicht zuletzt seinem ausgeprägten Sinn für Situationskomik und Humor nimmt er bald die Herausforderungen an, denen er Tag für Tag als vor den Nazis in die Illegalität geflohener Lagerinsasse ausgesetzt ist.

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