Den Hals in der Schlinge

Western

Fiction & Literature, Historical, Thrillers, Mystery & Suspense
Cover of the book Den Hals in der Schlinge by Pete Hackett, CassiopeiaPress
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Author: Pete Hackett ISBN: 1230000101762
Publisher: CassiopeiaPress Publication: January 22, 2013
Imprint: Language: German
Author: Pete Hackett
ISBN: 1230000101762
Publisher: CassiopeiaPress
Publication: January 22, 2013
Imprint:
Language: German

Den Hals in der Schlinge
Western von Pete Hackett

Über den Autor
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G. F. Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G. F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-Book bei CassiopeiaPress.

Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author  www.Haberl-Peter.de
© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de


Ruhig weidete die Herde Pferde in dem provisorisch errichteten Seilcorral. Am niedrig brennenden Campfeuer hockte John Lorimer und starrte versonnen in die züngelnden Flammen. Von einem Gestell aus Astgabeln hing ein Kaffeetopf über dem Feuer. Er war rußgeschwärzt. John Lorimer hielt die Blechtasse mit beiden Händen fest. Einsamkeit umgab ihn.
Über den Berggraten im Westen hing glühend die Sonne und tauchte das Land in weiches rötliches Licht. Von Osten her schob sich amberfarben die Dämmerung. Noch immer war es heiß. Kein Luftzug regte sich.
In die Stille hinein erklang ferner Hufschlag. Er näherte sich von Westen. Lauschend hob John Lorimer den Kopf. Er streifte mit einem Blick sein Reitpferd, eine Fuchsstute. Sie witterte in die Richtung, aus der das Hufgetrappel ertönte und spielte mit den Ohren.
John stellte die Tasse ab und erhob sich mit einem Ruck. Groß und hager stand er da, hellwach und angefüllt mit düsteren Ahnungen. In dieser Einöde konnte man niemals wissen, wessen Weg man kreuzte. Hier galt das unerbittliche Gesetz des Stärkeren, egal, ob dieser gut oder schlecht war. Und darum stellte John sich auf Verdruss ein. Er rückte seinen Revolvergurt zurecht, lüftete das Schießeisen etwas im Holster und ging zu seinem Sattel, angelte sich die Winchester und hebelte eine Patrone in den Lauf. Dann zog er sich in das dichte Gestrüpp zurück, das seinen Lagerplatz säumte, und wartete.
Die Fuchsstute schnaubte warnend. Die Pferde im Seilcorral hatten aufgehört zu grasen und wurden unruhig. Es waren zwanzig erstklassige Tiere, die bis vor wenigen Wochen noch mit Wildpferdherden durch die Weite der Prärie streiften. Sie waren für den Armeeposten der Alamogordo-Reservation bestimmt.
Der Hufschlag näherte sich rasch, schwoll an wie dumpfes Donnergrollen. Und schließlich trieben sechs Reiter ihre Pferde aus einem Einschnitt zwischen den Geröllhängen in das Hochtal. Sie zügelten ihre Tiere und starrten zu der Stelle, an der die dünne Rauchsäule des Lagerfeuers zum Himmel stieg.
John atmete aus. Diese Kerle waren gekleidet wie Cowboys. An ihren Sätteln waren Lassos und Campzeug befestigt. Sie trugen ihre Colts hoch an der Hüfte, was darauf schließen ließ, dass sie alles andere als Burschen vom heißen Eisen waren.
Dennoch blieb John misstrauisch und wachsam. Er war ein Mann, der sich niemals vom ersten Eindruck täuschen ließ. Er verharrte in seiner Deckung und beobachtete, wie sie wieder anritten. Im Trab trugen ihre Pferde sie heran. Bald konnte er Einzelheiten unterscheiden. Er sah ihre bärtigen Gesichter, den Staub auf ihrer Kleidung und im Fell der Pferde, und erkannte, dass sie einen langen Trail hinter sich hatten. Und ihm war klar, dass es sich tatsächlich um Rinderleute handelte.
Sie hielten an. Ihre Pferde tänzelten auf der Stelle. Ein helles Wiehern erschallte. Aufmerksam musterten sie die Pferdeherde, dann schweiften ihre Blicke suchend in die Umgebung.
»Hallo, Camp!«, rief eine staubheisere Stimme. John trat mit dem Gewehr im Hüftanschlag aus seiner Deckung.
»Heaven's, Stranger, warum so kriegerisch? Wir sind harmlose Pilger auf dem Weg nach Hause. Von uns will dir gewiss keiner ans Leder. Das darfst du mir glauben.«
John lauschte den Worten mit versteinerter Miene. Ihm entging nicht, dass einige der Reiter nervös in den Sätteln herumrutschten.
»Wo ist euer Zuhause?«, ließ er endlich vernehmen, ohne das Gewehr zu senken.
»Dachte schon, du wärst stumm, Fremder!«, kam es wieder von dem Sprecher. »Wir sind von der Star-Ranch. Mein Name ist Mark O'Brien. Wir haben eine kleine Herde Longhorns in Santa Fe verkauft und sind auf dem Heimweg. Es ist Zufall, dass wir auf dein Camp gestoßen sind.«
»Wo liegt die Star-Ranch?«, fragte John, dem es nicht gelang, seinen Argwohn zu unterdrücken, obwohl alles dafür sprach, dass O'Brien die Wahrheit sagte.
»Am San Juan de Dios Creek, westlich von Puerto de Luna. Sie gehört meinem Vater, Bill O'Brien. Hast du etwas dagegen, wenn wir die Nacht an deinem Feuer bleiben, Amigo?«
»Ich habe eine Menge schlechter Erfahrungen hinter mir«, gab John zu verstehen. »Aber dieses Land gehört allen. Und darum kann ich euch nicht hindern, hier von den Gäulen zu steigen und zu lagern.«
»Sehr freundlich bist du ja nicht gerade«, maulte O'Brien und verzog das von Schweiß und Staub verkrustete Gesicht. In seinen Pupillen lohte plötzlich ein zorniges Licht. »Willst du nicht endlich die Knarre herunternehmen? Du machst uns nervös.«
Ein karges Lächeln huschte um Johns Lippen und lockerte seine verkniffenen Züge ein wenig auf. Er ließ die Winchester sinken und versetzte kehlig: »Ihr seht nicht gerade vertrauenerweckend aus, Gents. Und zwanzig Klassepferde wie die dort«, er wies mit der Gewehrmündung in die Richtung des Corrals, »können so manchen Mann auf krumme Gedanken bringen.«
»Du siehst auch nicht gerade aus wie ein feiner Gentleman. He, hast du auch einen Namen?«
John nickte. »Ich heiße Lorimer - John Lorimer.«
»Well, Lorimer, dann höre jetzt, was ich dir sage: Wir sind ehrliche Cowboys, die einen rauen Trail hinter sich haben und froh sind, wenn sie endlich aus den Sätteln klettern und die Beine ausstrecken können. Wir wollen deine Gäule nicht. Dein Misstrauen ist unbegründet. Wir wollen überhaupt nichts von dir.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Wir werden jetzt absitzen und unsere Tiere versorgen. Wenn es dir Spaß macht, kannst du ja mit der Knarre in den Fäusten aufpassen, dass wir deinen Pferden nicht zu nahe kommen.«
John war nicht begeistert. Daraus machte er keinen Hehl. Scharf fixierte er Mark O'Brien. Der Ranchersohn hielt seinem Blick gelassen stand.
»Schon gut, O'Brien. Mein Misstrauen sollte keine Beleidigung sein. Lagert meinetwegen hier. Doch du wirst sicher nichts dagegen haben, wenn ich mich von euch absondere.«
Mark O'Brien schwang das rechte Bein über das Sattelhorn und ließ sich vom Pferderücken gleiten. Er zuckte mit den Achseln. »Wir können dich nicht zwingen, uns Gesellschaft zu leisten.« Er schielte zu den Pferden hin und John glaubte einen jähen, habgierigen Ausdruck in seinen Augen wahrzunehmen. O'Brien fuhr kratzend fort: »Für wen sind die Pferde bestimmt?«
John wartete mit der Antwort, bis auch die anderen Männer abgesessen waren und ihre Pferde zu dem schmalen Bach führten, der das Tal zerschnitt. Schließlich murmelte er widerstrebend: »Für die Blauröcke in der Apachenreservation am Pecos River.«
Mark O'Brien lachte spöttisch auf. »Für die Armee sind diese Gäule zu schade, Lorimer. Viel zu schade. Warum verkaufst du sie nicht an einen reichen Rancher? Du könntest einen Haufen Dollars mehr herausholen.«
»Ich habe einen Vertrag mit der Armee«, erwiderte John knapp und wandte sich ab.
Wieder kam von Mark O'Brien ein hohnvolles Lachen. Aber der Bursche sagte nichts mehr, sondern zog sein Pferd ebenfalls zum Bach, um es zu tränken. John stakste zum zwischenzeitlich niedergebrannten Feuer, ging in die Hocke und beobachtete die Cowboys, die sich Staub und Schweiß von den Gesichtern wuschen, nachdem sie die Tiere versorgt hatten. Etwas an Mark O'Brien gefiel ihm nicht. Dieser Bursche hatte etwas Verschlagenes, Hinterhältiges an sich. Unbehagen begann John zu erfüllen. Er nahm sich vor, auf der Hut zu sein.

*

Die Nacht kam. Es wurde merklich kühler. Bei den Pferden war es ruhig. John lag in seine Decke gehüllt auf der Erde und starrte durch die Dunkelheit hinüber zu den Männern der Star-Ranch. Längliche schwarze Bündel, von denen nur tiefe, gleichmäßige Atemzüge verkündeten, dass in ihnen Leben war. Ab und zu ein gurgelnder Schnarchton, einige im Schlaf gemurmelte Worte - sonst nichts.
John spürte die Müdigkeit bleischwer in seinen Gliedern. Wochen härtester Sattelarbeit lagen hinter ihm. Irgendwann übermannte ihn der Schlaf. Es war, als würde er in einer schwarzen, weichen Wolke versinken. Und als er unsanft geweckt wurde, hatte er keine Ahnung, wie lange er weggetreten gewesen war. Das erste, was er begriff, war, dass sich die Reiter der Star-Ranch um ihn herum aufgebaut hatten. Das zweite waren die matt schimmernden Revolver, die sie in den groben Fäusten hielten und auf ihn gerichtet hatten. Und im nächsten Moment schon war er dem eisigen Wind der Erkenntnis ausgesetzt, dass sie ihn aufs Kreuz gelegt hatten. Das Lachen Mark O'Briens traf sein Selbstbewusstsein wie eine tiefe Kränkung.
»Nun, Lorimer, wir haben es uns überlegt. Die Gäule sind wirklich zu schade für die Pferdesoldaten. Um ein paar halbverhungerte Apachen unter Kontrolle zu halten, brauchen sie keine derartigen Klassetiere. Also werden wir uns um die Pferde kümmern.«
John lag ruhig da. Seine Augen glitzerten im unwirklichen Licht wie glasiertes Porzellan. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. Aber er hatte keine Chance. Sie brauchten nur abzudrücken, um ihn mit ihrem Blei auf die Erde zu nageln. Er hatte das Gefühl, als schließe sich eine eisige Faust um seinen Magen.
»Also doch Banditen!«, entrang es sich ihm. Und während er sprach, tastete seine Rechte unter der Decke nach dem Colt. Die Fingerkuppen berührten den Knauf, dann schloss sich seine Faust um ihn. Und der Zorn kam; jäh und wild wie eine Sturmwoge. Aber es gelang ihm, der Vernunft den Vorrang zu geben und seine Empfindungen zu kontrollieren. Tief sog er die würzige Nachtluft in seine Lungen.
»Banditen ist nicht ganz treffend, Lorimer«, knurrte O'Brien düster. »Sagen wir lieber, dass wir Leute sind, die die günstige Gelegenheit, sich ein paar Dollar hinzuzuverdienen, nicht ungenutzt verstreichen lassen. Vielleicht hättest du uns freundlicher behandeln sollen.«
Einer der Burschen kicherte. Wieder musste John sich zur Ruhe zwingen. Heiser stieg es aus seiner Kehle: »Ich hätte euch mit Pulver und Blei zum Teufel jagen sollen. Das wäre die Sprache gewesen, die ihr verstanden hättet.«
»Dein Fehler, dass du es nicht getan hast!«, zischte O'Brien böse.
»Ein tödlicher Fehler!«, verbesserte einer der Star-Reiter zynisch.
Johns Körper spannte sich wie eine Feder. Seine Atmung und sein Puls beschleunigten sich. Den Worten, die signalisiert hatten, dass es für John um mehr ging als nur um die Pferde, folgte eine wachsame, angespannte Stille. Sie senkte sich wie ein Leichentuch zwischen sie herab.
»Für Pferdediebstahl wird man in diesem Land gehängt!« John versuchte, Zeit zu gewinnen. »Und erst recht für Mord.«
»Kein Hahn wird nach dir krähen, Lorimer. Hyänen und Aasgeier werden den Rest besorgen. In diesem Land kann ein Mann verschwinden wie ein Sandkorn in der Wüste.«
Schlagartig trocknete Johns Hals aus. Er spürte die Kälte, die aus dem Boden durch die Decke und in seine Kleidung zu kriechen schien, in sein Innerstes ziehen und verdammte seine Hilflosigkeit. Vorsichtig drückte er den Revolverkolben nach unten. Sein Zeigefinger legte sich um den Abzug, mit dem Daumen zog er den Hahn zurück. Das feine Klicken wurde von der Decke gedämpft und war für die Kerle ringsum nicht vernehmbar. John hingegen erschien es überlaut. Er spannte alle Muskeln und aktivierte all seine Sinne. Wenn er durch den Holsterboden schoss, würde die Kugel schräg nach oben fauchen und Mark O'Brien, der breitbeinig zu seinen Füßen stand, in den Leib treffen.
Kalt wog John seine Chancen ab. Und als er sprach, kam seine Stimme hart wie Metall. »Dich werden sie allerdings neben mich legen, O'Brien. Meine Kanone zeigt haargenau auf deinen Bauchnabel. Und wenn ich abdrücke, fliegen dir deine eigenen Gedärme um die Ohren.«
O'Brien versteinerte förmlich.

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Den Hals in der Schlinge
Western von Pete Hackett

Über den Autor
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G. F. Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G. F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-Book bei CassiopeiaPress.

Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author  www.Haberl-Peter.de
© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Ruhig weidete die Herde Pferde in dem provisorisch errichteten Seilcorral. Am niedrig brennenden Campfeuer hockte John Lorimer und starrte versonnen in die züngelnden Flammen. Von einem Gestell aus Astgabeln hing ein Kaffeetopf über dem Feuer. Er war rußgeschwärzt. John Lorimer hielt die Blechtasse mit beiden Händen fest. Einsamkeit umgab ihn.
Über den Berggraten im Westen hing glühend die Sonne und tauchte das Land in weiches rötliches Licht. Von Osten her schob sich amberfarben die Dämmerung. Noch immer war es heiß. Kein Luftzug regte sich.
In die Stille hinein erklang ferner Hufschlag. Er näherte sich von Westen. Lauschend hob John Lorimer den Kopf. Er streifte mit einem Blick sein Reitpferd, eine Fuchsstute. Sie witterte in die Richtung, aus der das Hufgetrappel ertönte und spielte mit den Ohren.
John stellte die Tasse ab und erhob sich mit einem Ruck. Groß und hager stand er da, hellwach und angefüllt mit düsteren Ahnungen. In dieser Einöde konnte man niemals wissen, wessen Weg man kreuzte. Hier galt das unerbittliche Gesetz des Stärkeren, egal, ob dieser gut oder schlecht war. Und darum stellte John sich auf Verdruss ein. Er rückte seinen Revolvergurt zurecht, lüftete das Schießeisen etwas im Holster und ging zu seinem Sattel, angelte sich die Winchester und hebelte eine Patrone in den Lauf. Dann zog er sich in das dichte Gestrüpp zurück, das seinen Lagerplatz säumte, und wartete.
Die Fuchsstute schnaubte warnend. Die Pferde im Seilcorral hatten aufgehört zu grasen und wurden unruhig. Es waren zwanzig erstklassige Tiere, die bis vor wenigen Wochen noch mit Wildpferdherden durch die Weite der Prärie streiften. Sie waren für den Armeeposten der Alamogordo-Reservation bestimmt.
Der Hufschlag näherte sich rasch, schwoll an wie dumpfes Donnergrollen. Und schließlich trieben sechs Reiter ihre Pferde aus einem Einschnitt zwischen den Geröllhängen in das Hochtal. Sie zügelten ihre Tiere und starrten zu der Stelle, an der die dünne Rauchsäule des Lagerfeuers zum Himmel stieg.
John atmete aus. Diese Kerle waren gekleidet wie Cowboys. An ihren Sätteln waren Lassos und Campzeug befestigt. Sie trugen ihre Colts hoch an der Hüfte, was darauf schließen ließ, dass sie alles andere als Burschen vom heißen Eisen waren.
Dennoch blieb John misstrauisch und wachsam. Er war ein Mann, der sich niemals vom ersten Eindruck täuschen ließ. Er verharrte in seiner Deckung und beobachtete, wie sie wieder anritten. Im Trab trugen ihre Pferde sie heran. Bald konnte er Einzelheiten unterscheiden. Er sah ihre bärtigen Gesichter, den Staub auf ihrer Kleidung und im Fell der Pferde, und erkannte, dass sie einen langen Trail hinter sich hatten. Und ihm war klar, dass es sich tatsächlich um Rinderleute handelte.
Sie hielten an. Ihre Pferde tänzelten auf der Stelle. Ein helles Wiehern erschallte. Aufmerksam musterten sie die Pferdeherde, dann schweiften ihre Blicke suchend in die Umgebung.
»Hallo, Camp!«, rief eine staubheisere Stimme. John trat mit dem Gewehr im Hüftanschlag aus seiner Deckung.
»Heaven's, Stranger, warum so kriegerisch? Wir sind harmlose Pilger auf dem Weg nach Hause. Von uns will dir gewiss keiner ans Leder. Das darfst du mir glauben.«
John lauschte den Worten mit versteinerter Miene. Ihm entging nicht, dass einige der Reiter nervös in den Sätteln herumrutschten.
»Wo ist euer Zuhause?«, ließ er endlich vernehmen, ohne das Gewehr zu senken.
»Dachte schon, du wärst stumm, Fremder!«, kam es wieder von dem Sprecher. »Wir sind von der Star-Ranch. Mein Name ist Mark O'Brien. Wir haben eine kleine Herde Longhorns in Santa Fe verkauft und sind auf dem Heimweg. Es ist Zufall, dass wir auf dein Camp gestoßen sind.«
»Wo liegt die Star-Ranch?«, fragte John, dem es nicht gelang, seinen Argwohn zu unterdrücken, obwohl alles dafür sprach, dass O'Brien die Wahrheit sagte.
»Am San Juan de Dios Creek, westlich von Puerto de Luna. Sie gehört meinem Vater, Bill O'Brien. Hast du etwas dagegen, wenn wir die Nacht an deinem Feuer bleiben, Amigo?«
»Ich habe eine Menge schlechter Erfahrungen hinter mir«, gab John zu verstehen. »Aber dieses Land gehört allen. Und darum kann ich euch nicht hindern, hier von den Gäulen zu steigen und zu lagern.«
»Sehr freundlich bist du ja nicht gerade«, maulte O'Brien und verzog das von Schweiß und Staub verkrustete Gesicht. In seinen Pupillen lohte plötzlich ein zorniges Licht. »Willst du nicht endlich die Knarre herunternehmen? Du machst uns nervös.«
Ein karges Lächeln huschte um Johns Lippen und lockerte seine verkniffenen Züge ein wenig auf. Er ließ die Winchester sinken und versetzte kehlig: »Ihr seht nicht gerade vertrauenerweckend aus, Gents. Und zwanzig Klassepferde wie die dort«, er wies mit der Gewehrmündung in die Richtung des Corrals, »können so manchen Mann auf krumme Gedanken bringen.«
»Du siehst auch nicht gerade aus wie ein feiner Gentleman. He, hast du auch einen Namen?«
John nickte. »Ich heiße Lorimer - John Lorimer.«
»Well, Lorimer, dann höre jetzt, was ich dir sage: Wir sind ehrliche Cowboys, die einen rauen Trail hinter sich haben und froh sind, wenn sie endlich aus den Sätteln klettern und die Beine ausstrecken können. Wir wollen deine Gäule nicht. Dein Misstrauen ist unbegründet. Wir wollen überhaupt nichts von dir.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Wir werden jetzt absitzen und unsere Tiere versorgen. Wenn es dir Spaß macht, kannst du ja mit der Knarre in den Fäusten aufpassen, dass wir deinen Pferden nicht zu nahe kommen.«
John war nicht begeistert. Daraus machte er keinen Hehl. Scharf fixierte er Mark O'Brien. Der Ranchersohn hielt seinem Blick gelassen stand.
»Schon gut, O'Brien. Mein Misstrauen sollte keine Beleidigung sein. Lagert meinetwegen hier. Doch du wirst sicher nichts dagegen haben, wenn ich mich von euch absondere.«
Mark O'Brien schwang das rechte Bein über das Sattelhorn und ließ sich vom Pferderücken gleiten. Er zuckte mit den Achseln. »Wir können dich nicht zwingen, uns Gesellschaft zu leisten.« Er schielte zu den Pferden hin und John glaubte einen jähen, habgierigen Ausdruck in seinen Augen wahrzunehmen. O'Brien fuhr kratzend fort: »Für wen sind die Pferde bestimmt?«
John wartete mit der Antwort, bis auch die anderen Männer abgesessen waren und ihre Pferde zu dem schmalen Bach führten, der das Tal zerschnitt. Schließlich murmelte er widerstrebend: »Für die Blauröcke in der Apachenreservation am Pecos River.«
Mark O'Brien lachte spöttisch auf. »Für die Armee sind diese Gäule zu schade, Lorimer. Viel zu schade. Warum verkaufst du sie nicht an einen reichen Rancher? Du könntest einen Haufen Dollars mehr herausholen.«
»Ich habe einen Vertrag mit der Armee«, erwiderte John knapp und wandte sich ab.
Wieder kam von Mark O'Brien ein hohnvolles Lachen. Aber der Bursche sagte nichts mehr, sondern zog sein Pferd ebenfalls zum Bach, um es zu tränken. John stakste zum zwischenzeitlich niedergebrannten Feuer, ging in die Hocke und beobachtete die Cowboys, die sich Staub und Schweiß von den Gesichtern wuschen, nachdem sie die Tiere versorgt hatten. Etwas an Mark O'Brien gefiel ihm nicht. Dieser Bursche hatte etwas Verschlagenes, Hinterhältiges an sich. Unbehagen begann John zu erfüllen. Er nahm sich vor, auf der Hut zu sein.

*

Die Nacht kam. Es wurde merklich kühler. Bei den Pferden war es ruhig. John lag in seine Decke gehüllt auf der Erde und starrte durch die Dunkelheit hinüber zu den Männern der Star-Ranch. Längliche schwarze Bündel, von denen nur tiefe, gleichmäßige Atemzüge verkündeten, dass in ihnen Leben war. Ab und zu ein gurgelnder Schnarchton, einige im Schlaf gemurmelte Worte - sonst nichts.
John spürte die Müdigkeit bleischwer in seinen Gliedern. Wochen härtester Sattelarbeit lagen hinter ihm. Irgendwann übermannte ihn der Schlaf. Es war, als würde er in einer schwarzen, weichen Wolke versinken. Und als er unsanft geweckt wurde, hatte er keine Ahnung, wie lange er weggetreten gewesen war. Das erste, was er begriff, war, dass sich die Reiter der Star-Ranch um ihn herum aufgebaut hatten. Das zweite waren die matt schimmernden Revolver, die sie in den groben Fäusten hielten und auf ihn gerichtet hatten. Und im nächsten Moment schon war er dem eisigen Wind der Erkenntnis ausgesetzt, dass sie ihn aufs Kreuz gelegt hatten. Das Lachen Mark O'Briens traf sein Selbstbewusstsein wie eine tiefe Kränkung.
»Nun, Lorimer, wir haben es uns überlegt. Die Gäule sind wirklich zu schade für die Pferdesoldaten. Um ein paar halbverhungerte Apachen unter Kontrolle zu halten, brauchen sie keine derartigen Klassetiere. Also werden wir uns um die Pferde kümmern.«
John lag ruhig da. Seine Augen glitzerten im unwirklichen Licht wie glasiertes Porzellan. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. Aber er hatte keine Chance. Sie brauchten nur abzudrücken, um ihn mit ihrem Blei auf die Erde zu nageln. Er hatte das Gefühl, als schließe sich eine eisige Faust um seinen Magen.
»Also doch Banditen!«, entrang es sich ihm. Und während er sprach, tastete seine Rechte unter der Decke nach dem Colt. Die Fingerkuppen berührten den Knauf, dann schloss sich seine Faust um ihn. Und der Zorn kam; jäh und wild wie eine Sturmwoge. Aber es gelang ihm, der Vernunft den Vorrang zu geben und seine Empfindungen zu kontrollieren. Tief sog er die würzige Nachtluft in seine Lungen.
»Banditen ist nicht ganz treffend, Lorimer«, knurrte O'Brien düster. »Sagen wir lieber, dass wir Leute sind, die die günstige Gelegenheit, sich ein paar Dollar hinzuzuverdienen, nicht ungenutzt verstreichen lassen. Vielleicht hättest du uns freundlicher behandeln sollen.«
Einer der Burschen kicherte. Wieder musste John sich zur Ruhe zwingen. Heiser stieg es aus seiner Kehle: »Ich hätte euch mit Pulver und Blei zum Teufel jagen sollen. Das wäre die Sprache gewesen, die ihr verstanden hättet.«
»Dein Fehler, dass du es nicht getan hast!«, zischte O'Brien böse.
»Ein tödlicher Fehler!«, verbesserte einer der Star-Reiter zynisch.
Johns Körper spannte sich wie eine Feder. Seine Atmung und sein Puls beschleunigten sich. Den Worten, die signalisiert hatten, dass es für John um mehr ging als nur um die Pferde, folgte eine wachsame, angespannte Stille. Sie senkte sich wie ein Leichentuch zwischen sie herab.
»Für Pferdediebstahl wird man in diesem Land gehängt!« John versuchte, Zeit zu gewinnen. »Und erst recht für Mord.«
»Kein Hahn wird nach dir krähen, Lorimer. Hyänen und Aasgeier werden den Rest besorgen. In diesem Land kann ein Mann verschwinden wie ein Sandkorn in der Wüste.«
Schlagartig trocknete Johns Hals aus. Er spürte die Kälte, die aus dem Boden durch die Decke und in seine Kleidung zu kriechen schien, in sein Innerstes ziehen und verdammte seine Hilflosigkeit. Vorsichtig drückte er den Revolverkolben nach unten. Sein Zeigefinger legte sich um den Abzug, mit dem Daumen zog er den Hahn zurück. Das feine Klicken wurde von der Decke gedämpft und war für die Kerle ringsum nicht vernehmbar. John hingegen erschien es überlaut. Er spannte alle Muskeln und aktivierte all seine Sinne. Wenn er durch den Holsterboden schoss, würde die Kugel schräg nach oben fauchen und Mark O'Brien, der breitbeinig zu seinen Füßen stand, in den Leib treffen.
Kalt wog John seine Chancen ab. Und als er sprach, kam seine Stimme hart wie Metall. »Dich werden sie allerdings neben mich legen, O'Brien. Meine Kanone zeigt haargenau auf deinen Bauchnabel. Und wenn ich abdrücke, fliegen dir deine eigenen Gedärme um die Ohren.«
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