Author: | Joseph von Lauff | ISBN: | 9783746098654 |
Publisher: | Books on Demand | Publication: | March 19, 2018 |
Imprint: | Language: | German |
Author: | Joseph von Lauff |
ISBN: | 9783746098654 |
Publisher: | Books on Demand |
Publication: | March 19, 2018 |
Imprint: | |
Language: | German |
Anno Domini ... ich glaube, es war achtzehnhundert und in den sechziger Jahren. Ja, so war es. Anno Domini 1862 und so anfangs November herum äugelte ein rotgedunsenes, aufgeschwemmtes und doch langgezogenes Antilopengesicht, in dem die kleinen Augen wie hineingeknallte Sauposten saßen, durch die blank geputzten Scheiben der Wirtschaft 'Zur letzten Träne' auf den Kirchplatz hinaus, den die ersten Schneeflocken in einem getragenen Hin und Her und in einem geisterhaften Auf und Nieder umspielten. Traumhaft sanken sie auf die flaumige Decke, die bereits die ganze Umgebung feierlichst eingeschneit hatte. Die 'Letzte Träne' lag der alten Sankt Nikolaikirche schräg gegenüber. Es war ein landläufiger Bau mit hohen Schornsteinen und niedrigem Giebel, lavendelartig gekalkt und mit blau angestrichenen Läden versehen, die in kräftigen Inschriften alle Genüsse anpriesen, worüber die Schenke verfügte. Linker Hand von dem ausgetretenen Hausflur lag der eigentliche Wirtsraum, in dessen Tiefe neben der Anrichte ein mächtiger Kanonenofen eine wohlige Wärme ausstrahlte; denn die Quecksilbersäule im Thermometer hatte sich bemüßigt gefunden, am frühen Morgen fünf Strich unter den Nullpunkt zu gleiten. Dabei drängelte sich die Kälte mit grimmiger Bosheit durch die Schlüssellöcher und Ritzen hinein, kratzte an den Scheiben herum und versuchte, zierliche Eisblumen in die tiefer gelegenen Fensterecken zu pinseln. Napoleonische Bilder hingen an den Wänden: Napoleon in Saint Cloud, Napoleon bei Austerlitz, Napoleon auf den Elysäischen Feldern ... wohingegen die Anrichte mit allen möglichen Schnäpsen und Elixieren bestellt war. Hier war das Reich einer behaglich aussehenden Frau, die sich damit beschäftigte, Gläser zu spülen, die Bouteillen zu richten und die bunt illuminierten Etiketten in die beste Beleuchtung zu stellen. ...
Anno Domini ... ich glaube, es war achtzehnhundert und in den sechziger Jahren. Ja, so war es. Anno Domini 1862 und so anfangs November herum äugelte ein rotgedunsenes, aufgeschwemmtes und doch langgezogenes Antilopengesicht, in dem die kleinen Augen wie hineingeknallte Sauposten saßen, durch die blank geputzten Scheiben der Wirtschaft 'Zur letzten Träne' auf den Kirchplatz hinaus, den die ersten Schneeflocken in einem getragenen Hin und Her und in einem geisterhaften Auf und Nieder umspielten. Traumhaft sanken sie auf die flaumige Decke, die bereits die ganze Umgebung feierlichst eingeschneit hatte. Die 'Letzte Träne' lag der alten Sankt Nikolaikirche schräg gegenüber. Es war ein landläufiger Bau mit hohen Schornsteinen und niedrigem Giebel, lavendelartig gekalkt und mit blau angestrichenen Läden versehen, die in kräftigen Inschriften alle Genüsse anpriesen, worüber die Schenke verfügte. Linker Hand von dem ausgetretenen Hausflur lag der eigentliche Wirtsraum, in dessen Tiefe neben der Anrichte ein mächtiger Kanonenofen eine wohlige Wärme ausstrahlte; denn die Quecksilbersäule im Thermometer hatte sich bemüßigt gefunden, am frühen Morgen fünf Strich unter den Nullpunkt zu gleiten. Dabei drängelte sich die Kälte mit grimmiger Bosheit durch die Schlüssellöcher und Ritzen hinein, kratzte an den Scheiben herum und versuchte, zierliche Eisblumen in die tiefer gelegenen Fensterecken zu pinseln. Napoleonische Bilder hingen an den Wänden: Napoleon in Saint Cloud, Napoleon bei Austerlitz, Napoleon auf den Elysäischen Feldern ... wohingegen die Anrichte mit allen möglichen Schnäpsen und Elixieren bestellt war. Hier war das Reich einer behaglich aussehenden Frau, die sich damit beschäftigte, Gläser zu spülen, die Bouteillen zu richten und die bunt illuminierten Etiketten in die beste Beleuchtung zu stellen. ...